Heidi Etters Vorliebe für Schwarz
Abgesehen von den Aquarellen, die Heidi Etter während ihrer Nordenglandaufenthalte schuf und nie öffentlich ausstellte, gibt es in ihrem Œuvre sozusagen keine Arbeiten in Farbe. Ihr genuines Ausdrucksmittel war Schwarz.
Der Winterthurer Kunstkritiker Adrian Mebold verfasste für den Landboten ihren Nachruf und charakterisierte ihr Schaffen dahingehend: «Heidi Etters Farbe war Schwarz, eine Farbe, die höchste Konzentration verlangt, Ablenkung nicht verzeiht, wenn sie in all ihren Tiefen ausgelotet werden wird. Nicht umsonst hat Heidi Etter den Tiefdruck als die ihr gemässe Technik entdeckt… Im Norden Englands hat sie fasziniert den Zerfall der regionalen Industrie verfolgt… Auf ihren Blättern werden diese Ruinen, Fördertürme und Gerätschaften nicht zu romantischen Sujets verklärt, sondern halten tapfer archaische Momente gegen Tragik und Untergang an».
In Kohlezeichnungen und Radierungen hielt sie den Niedergang der nordenglischen Schwerindustrie fest: Einsame Fördertürme, archaisch anmutende Gerätschaften, aber auch Schleusen, Hafenmauern und menschenleere Gassen gerinnen in ihren Bildern zu modernen Memento mori. Meisterlich die Technik des Tiefdrucks beherrschend, gewann sie dem tiefen Schwarz atmosphärische Dichte ab und vermochte ihren Bildmotiven – egal ob Industrieruine, Hafenmauer, Kornspeicher oder solitäres Kleidungsstück – Monumentalität und Suggestivkraft zu verleihen. Ihre Industrie- und Stadtlandschaften vermitteln ein Gefühl von Einsamkeit und Untergang.
Das tiefe Schwarz der Druckerschwärze auf ihren Blättern erinnert an den Russ rauchender Fabrikschlote und vermittelt die Stimmung eines trüben, vernebelten Tages oder gar einer düsteren, mondlosen Nacht. Das Schwarz ist nicht nur ein Gestaltungselement, sondern ist stets auch inhaltlich konnotiert: Es beinhaltet Abgründigkeit, Verhüllung, Geheimnis und einen Hauch von Morbidität. Etters Kohlezeichnungen und Radierungen sind im Geiste mit den düsteren Bildschöpfungen von Jacques Callot (1592-1635), Francisco de Goya (1746-1828), Odilon Redon (1840-1916), Max Klinger (1857-1920) verwandt.